– english version below –
Reflexionsstatement
Wir als Vorbereitungskreis haben uns entschieden eine Reflexion zu veröffentlichen, die nachvollziehbar machen soll, weshalb unser erster Aufruf inhaltlich unvollständig und damit mangelhaft war. Uns ist es wichtig zu erklären, woran das lag. Dies ist uns wichtig, da wir auf Verständnis hoffen, aber auch, weil es anderen vielleicht ähnlich geht und uns daran gelegen ist, eine konstruktive Fehlerkultur zu etablieren.
Zunächst sind wir ein sehr loser Zusammenschluss von Menschen, wir kennen, mögen und vertrauen uns, sind aber nicht in einer festen Struktur miteinander organisert und haben keinen gemeinsamen inhaltlichen Standpunkt ausformuliert. So gestaltet sich auch die Vorbereitung dieser Demo. Wir treffen und besprechen uns in wechselnden Konstellationen, manche übernehmen Aufgaben aus dem Off, es gibt ein großes Vertrauen darein, dass es schon laufen wird. Die Vorbereitung der Demo scheint für uns notwendig, sie bildet aber nicht den Mittelpunkt unseres politischen Wirkens, dementsprechend wird sie so mehr oder weniger nebenbei mit abgearbeitet. Positiv ist, dass so die Orga einer Demo nicht alle zur Verfügung stehenden Ressourcen frisst, schwierig wird es dann aber ganz offensichtlich bei der inhaltlichen Ausgestaltung.
Einige haben den Aufruf ohne großes Murren abgenickt und waren froh, dass eine*r die Aufgabe übernahm, ihn zu schreiben. Es gab am Text selbst wenig, was komplett in Frage gestellt wurde und wenn doch, wurde es auch einfach ausgehalten, schließlich soll doch schnell veröffentlicht werden. Andere widerrum waren sich der Leerstellen bewusst und wollten diese an späterer Stelle noch inhaltlich ausfüllen.
Zum anderen sind wir – das unterstellen wir an dieser Stelle auch den anderen – wenig bis gar nicht in der Lage Kontroversen zu benennen und auszudiskutieren. Es ist nicht etabliert, unsere vielschichtigen Überlegungen und ungeklärten Fragen kundzutun. Zu oft verschweigen wir die Differenziertheit der eigenen Meinung und tragen sie verkürzt und schlagwortartig in kurzen Phrasen nach außen. Das ist auch in unserem Aufruf geschehen.
Zum besseren Verständnis wollen wir an der Stelle auch knapp unser Verhältnis zum Antifa Ost-Verfahren und der damit einhergehenden Soli-Arbeit darlegen. Das Solidaritätsbündnis Antifa Ost ist nicht an der Vorbereitung dieser Demo beteiligt, da wir Kritik an ihrer mangelnden Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, Täterschaft und Täterschutz haben – eine antipatriarchale Haltung wird nicht sichtbar nach außen getragen. Unsere Abgrenzung in der Organisierung und unsere Gründe dafür hätten wir aber explizit formulieren müssen, sonst kann das niemand außer uns selbst wissen.
Uns fiel und fällt es schwer, unsere Kritik an Solidaritätsbündnis Antifa Ost so explizit nach außen zu tragen. Bis heute gibt es wenig wahrnehmbare Kritik, die den gegenwärtigen Zustand der Bewegung und insbesondere dieses 129-Verfahrens beleuchtet. In dieser durch die Repressionen angespannten Situation fällt es schwer, Kritik zu formulieren und nicht zugleich zu einer unsolidarischen Distanzierung werden zu lassen.
Wir machen diese Demo um unsere Ideen vom autonomen Antifaschismus zu verteidigen! Wir sind insoweit solidarisch mit den Angeklagten des 129-Verfahrens, weil sie für das militante Agieren gegen Nazis vor Gericht stehen.
Unser Resümee ist, dass gerade jetzt, wo diese Schwierigkeiten und Differenzen sichtbar sind, wir unsere Überzeugung, die wir miteinander teilen, weiter stärken und ausdifferenzieren müssen. Auch in einem Demo-Aufruf müssen wir mehr und konkreter thematisieren, kritisieren und bearbeiten als wir das im ersten getan haben.
Diese bitteren Zeiten werden wir nicht gemeinsam überstehen, wenn wir unsere Fehler und Misstände verschweigen. Stattdessen wird es uns noch weit mehr schwächen, wenn wir dort Geschlossenheit vorgeben, wo keine ist und sein wird, solange nicht klar ist, welche Überzeugung wir teilen!
Wir werden weitere Aufrufe veröffentlichen…
Reflexion statement
We, the organizing circle, have decided to publish a reflective statement which is meant to shed light on the reason why the content of our first call to action has been incomplete and therefore inadequate. It’s important to us to explain why this has been the case. It is important to us because we hope for understanding but also because others might feel similarly. Furthermore, establishing a constructive error culture matters to us.
Firstly, we’d like to clarify that we operate as a very loose group of people; we know, like, and trust each other but we aren’t organized within one fixed structure and haven’t formulated one shared standpoint. This is also how the preparation of this protest is structured. We meet and discuss in changing constellations, some take on tasks in the background, there is a great confidence that things will eventually work out. The preparation of the protest seems necessary to us, but it is not the focus of our political work, we therefore work on it alongside other things. Positive about this is that this way the organization of a protest does not eat up all the available resources; however, this clearly becomes an issue when it comes to content.
Some of us have accepted the text without much grumbling and were glad that someone had taken on the task of writing it. There was little in the text itself that has wholeheartedly been questioned, and if there was, it had simply been endured, after all the text was supposed to be published as quickly as possible. Others, on the other hand, were aware of gaps in the text’s content and had been meaning to fill them in later.
Furthermore, we – and we assume the same for the others at this point – are hardly or not at all able to name and discuss controversies. It is not established to bring up our complex considerations and unresolved questions. Too often we keep silent about the precise variedness of our own opinion and instead convey it to others in an abbreviated and almost buzzword-like manner. This is also what happened in our call to action.
For a better understanding, we would also like to briefly explain our relationship with the Antifa Ost trial and the accompanying solidarity work. The solidarity network Antifa Ost is not involved in the preparation of this protest because we criticize their lack of reappraisal of sexualised violence, perpetrators, and perpetrator protection – an anti-patriarchal stance is not visibly displayed outwards. However, we should have explicitly formulated our delineation in the organisation and our reasons for it, otherwise nobody besides ourselves would be able to know.
It was and still is difficult for us to express our criticism of the solidarity network Antifa Ost this explicitly. To date, there has been little discernible criticism that sheds light on the current state of the movement, and of this paragraph 129 trial in particular. In this tense situation caused be repression, it is difficult to formulate criticism while simultaneously not allowing it to turn into distancing and lacking solidarity.
We are organising this protest to defend our ideas of autonomous anti-fascism! We are in solidarity with the defendants in the 129 trial because they are on trial for militant action against Nazis.
Our conclusion is that especially now that these difficulties and differences are visible, we have to further strengthen and differentiate our shared conviction. In a call for protest, too, we have to explicitly address, criticise and work on more than we did in the first text.
We will not get through these hard times together if we keep quiet about our mistakes and deficiencies. Instead, it will weaken us even more if we pretend to be united where we are not, and there will be no unity until it is clear which beliefs we share!
We will publish more calls to action…